Der Restaurator Frank Fischer
Original bis zum letzten Schräuble
Oldtimer Frank Fischer hat ein Faible für Motorräder und Autos von vorgestern. Am kommenden Wochenende ist der Weissacher bei den Retro Classics einer von tausend Ausstellern. Wie kann der Einzelkämpfer gegen die Konkurrenz bestehen?
Von Thomas Schwarz
Böse Zungen behaupten, ich sei ein Pedant", sagt Frank Fischer. "Ich selbst sage, ich bin pingelig. Ich muss so sein, bei dem, was ich mache." Frank Fischer, 50, steht im blitzblanken Gang seiner Werkstatt vor einem picobello sortierten Regal. Vor Fischer liegen auf mehreren Etagen Einzelteile eines Fahrzeugs, alle wirken fabrikneu, keine Spuren von Staub, Öl oder gar Schmutz sind zu sehen. "Das ist eine Lambretta, die muss ich nur noch zusammenbauen", sagt der Oldtimer-Restaurator. Den NSU-Motorroller hat er komplett zerlegt, sämtliche Teile gereinigt oder ersetzt, wenn es nötig war. Demnächst wird das Schmuckstück aus den 50er Jahren wieder montiert. Wenn Fischer fertig ist, wird die Lambretta wieder aussehen wie damals, als sie in Neckarsulm vom Band lief. Eher verlässt der Roller nicht die Werkstatt.
Die Akribie, mit der Fischer seinen Beruf ausübt, ist sein Markenzeichen und wird von seinen Kunden geschätzt. "Bei mir muss am Schluss jedes Schräuble stimmen", sagt der Tüftler, der aus seiner Leidenschaft vor zwei Jahren den Lebensunterhalt gemacht hat. Seit zwei Jahren betreibt Fischer in der Weissacher Bahnhofstraße seine Werkstatt. Das Haus, in dem früher ein Busunternehmer gewohnt und seine Fahrzeuge abgestellt hat, hat er nach seinen Vorstellungen umgebaut.
Zwei Jahrzehnte lang hat Frank Fischer, wie er sagt, "beim Daimler geschafft" - zuerst in der Entwicklung, dann als Bauleiter. Irgendwann erkannte der Individualist, dass eine Festanstellung bei einem Großkonzern eigentlich nicht zu ihm passt. So führte sein Weg unweigerlich in die Selbstständigkeit. Das Ziel: den erlernten Beruf des Schreiners mit dem geliebten Hobby - alte Motorräder - verbinden.
Bereits als kleiner Bub war Frank Fischer von motorisierten Untersätzen begeistert. "Bei uns gab es einen Bäcker, der hat seine Brezeln mit einem Horex-Gespann ausgefahren." Auf den habe er fast jeden Tag gewartet. "Ich konnte hören, wie er unten am Berg Zwischengas gegeben und dann geschaltet hat. Das war mir lieber, als in den Kindergarten zu gehen. Allerdings hat mich unsere Kindergartentante immer verraten, wenn ich nicht gekommen bin", erinnert Fischer sich.
Mit 14, er besaß noch keinen Führerschein, kaufte er sich ein Victoria-Moped. "Das musste damals einfach sein." Wie es unter Jugendlichen in den 70er Jahren üblich war, wurde das eigene Mofa, aber auch die Maschinen von Freunden, technisch verbessert - sprich "frisiert". Frank Fischer schraubte und reparierte mit Lust und Laune. "Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Meine Familie hatte kein Geld für Handwerker. Man hat immer alles selbst gemacht. Das hat mir viel geholfen."
Zwei Jahre später brach er zusammen mit seinem Bruder und einem Kumpel in den Ferien zu einer Fahrt nach Holland auf. "Die Strecke hatten wir völlig unterschätzt. Die Victoria fuhr mit viel Wohlwollen 50 Sachen." Schließlich waren die Ferien fast zu Ende und Frank Fischer immer noch fern der Heimat. "Kurz nach der holländischen Grenze hat es mich von meiner Victoria geworfen: Kolbenfresser!"
Zurück im Schwäbischen erwarb der damals 16-Jährige für 50 Mark eine alte NSU Quickly. Es war das erste motorisierte Zweirad, das Frank Fischer restaurierte, und zwar "bis aufs letzte Schräuble". Erst im vergangenen Jahr hat Fischer sich von dem Schmuckstück getrennt, auf der Stuttgarter Oldtimermesse Retro Classics hat er die Quickly verkauft, zusammen mit einem anderen Motorrad, das nicht nur um Jahrzehnte älter ist, sondern unter Motorradfreaks einen Namen wie Donnerhall hat: eine Indian Vierzylinder, Baujahr 1930.
Das seltene Fahrzeug - die Firma Indian ging in den 30er Jahren aus wirtschaftlichen Gründen im Konkurrenten Harley-Davidson auf - ist eine Augenweide und ein Leckerbissen für Technikenthusiasten. Nun steht es in der Eingangshalle einer österreichischen Firma. "Es fällt mir immer schwer, mich von einem solchen Schmuckstück zu trennen", sagt Frank Fischer. Aber was soll er tun? Er lebt nun vom Verkauf der Oldtimer.
Zurzeit restauriert Fischer für einen Kunden eine weitere Rarität, eine Harley-Davidson Nucklehead, Baujahr 1946, eines der seltensten Motorräder überhaupt. Die Bezeichnung "Knöchelkopf" resultiert aus den handknöchelartigen Knubbeln an den Zylinderköpfen. Leicht zu fahren ist der Oldtimer nicht: Bei der Nucklehead muss während der Fahrt der Zündzeitpunkt immer wieder von Hand nachgestellt werden - vom Kuppeln, Bremsen und der Knüppelschaltung ganz abgesehen. Zudem sitzt der Gasgriff links statt rechts. Die Motorräder wurden ursprünglich fürs Militär gebaut und hatten an der Gabel einen ledernen Gewehrschuh. Der Fahrer sollte mit der rechten Hand notfalls schießen können.
Der Bäcker aus Fischers Jugend wäre sicher entzückt über die Horex Regina oder zwei NSU-Fox-Motorräder, die zurzeit in Fischers Werkstatt stehen. Wie neu wirken die eleganten Motorräder aus den 50er Jahren. Ein weiteres ist zerlegt bis auf den Rahmen, daneben steht eine BMW R 750 aus den 70er Jahren. "Das ist auch eine Rarität. Die fuhr nur auf dem Nürburgring als Einsatzfahrzeug. Da waren hinten noch zwei Feuerlöscher und ein Notarztkoffer drauf."
Der Besitzer des Motorrads wohnt in Weissach und ist bei der Versuchsstrecke für Sportwagen seinem ehemaligen Rennstall immer noch nahe: der frühere Porsche-Rennfahrer Herbert Linge. 1970 hat der heute 80-Jährige Steve McQueen in dem Film "Le Mans" gedoubelt, jetzt schaut er auf einen Sprung bei Frank Fischer vorbei: Ein kurzer Plausch, schon ist er wieder weg. "Er gehört mittlerweile auch zu meinen Kunden", sagt Fischer nicht ohne Stolz. Das Geschäft laufe gut, trotz der Wirtschaftskrise. Und das nicht nur bei Fischer.
Die Oldtimerfans in der Region Stuttgart sind Legion. Neben dem etablierten Mercedes Benz Classic Center sind in den vergangenen Jahren mit dem Böblinger Meilenwerk und dem Oldtimer Zentrum Stuttgart zwei neue Großbetriebe entstanden. Hier findet man nicht nur Oldtimer zum Kaufen oder Mieten, sondern auch Werkstätten, die sich auf die betagten Schmuckstücke spezialisiert haben sowie Restaurants. Sogar Stellplätze kann man für das eigene Fahrzeug mieten, das dann in seiner gläsernen Box selbst zum Ausstellungsstück wird.
Da verwundert es nicht, dass die Oldtimerszene sich gern in der Region Stuttgart trifft. Am Wochenende beginnt in der Messe Stuttgart mit den Retro Classics eine der renommiertesten Ausstellungen ihrer Art. Frank Fischer wird natürlich auch dort zu finden sein, die Messe ist ein Pflichttermin für Restauratoren wie ihn. Hier verkauft er nicht nur, er trifft auch alte Bekannte und findet neue Kunden. "Konkurrenz habe ich in meinem Segment, also bei Motorrad-Oldtimern, kaum", sagt er.
Die meisten Profis haben sich auf alte Autos spezialisiert. Im Zweiradbereich sind vor allem Hobbyschrauber am Werk, die ihrer Leidenschaft in der Freizeit nachgehen und zum Teil mehrere Jahre lang an einer Maschine werkeln, bis sie damit zufrieden sind. Bevor Fischer den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt hat, verbrachte er selbst auch nahezu jede freie Minute in seiner Werkstatt. Jetzt lebt er vom Schrauben. Sein Perfektionismus macht mittlerweile seinen guten Ruf aus: Bevor nicht alles im Originalzustand ist, lässt er nicht locker. Für einzelne Fahrzeuge verwendet er immer noch Monate, bis sie fertig sind.
An Fischers Wohnort Weissach ist die Oldtimerdichte besonders groß. Das nahe Porsche-Versuchsgelände hat viele Mitarbeiter in den beschaulichen Ort gezogen. Jährlich findet hier im Sommer ein Oldtimertreffen statt, Fischers Klientel wohnt quasi nebenan.
Zu Fischers Stammkunden zählen überwiegend Oldtimerfreunde, die nicht selbst die Möglichkeit haben, alte und heruntergekommene Scheunenfunde selbst zu restaurieren. Umso größer ist deren Freude, wenn sie statt des rostigen Wracks, das sie nach Weissach gebracht haben, ein scheinbar funkelnagelneues Motorrad oder Auto abholen können. In manchen Fällen rät der Oldtimerenthusiast allerdings von einem Auftrag ab. "Wenn man eine alte Maschine für hundert Euro kauft und die Restauration dann 6000 Euro kostet, hat das keinen Sinn", sagt Frank Fischer. Das sei dann ein Fall für einen Hobbybastler.